Online-Marktplätze von eBay, Amazon oder Alibaba sind bei Transaktionen im B2C Bereich zwischen Unternehmen (Anbieter) und Privatpersonen (Käufer) nicht mehr wegzudenken. Sie haben sich als Vertriebskanal mehr als etabliert und wachsen beständig. Ein Online-Marktplatz ist eine Plattform, auf der verschiedene Händler Waren anbieten. Man unterscheidet dabei, ob der Marktplatz von einem Händler (z.B. Amazon, Otto, Zalando.) oder von einem reinen Marktplatzbetreiber ohne eigenen Verkauf auf dem Marktplatz (z.B. eBay, Allyouneed, Autoscout24) betrieben wird.
Der Einkauf über Online-Marktplätze ist für Kunden sehr komfortabel, da sie viele Produkte an einem zentralen Ort vergleichen und erwerben können. Online-Marktplätze sind somit für Händler in Deutschland eine interessante Vertriebswegalternative zum stationären Geschäft oder dem eigenen Online-Shop. Der B2C eCommerce verbucht jährlich zweistellige Wachstumsraten. Bedenkt man die deutlich höheren Umsatzzahlen im B2B, ist es wenig verwunderlich, dass auch der B2B eCommerce, also der Handel mit Geschäfts- und Firmenkunden über das Internet, stark an Bedeutung gewinnt. Ein geändertes Kunden- und Einkäuferverhalten verstärkt diesen Effekt zusätzlich: Das private Online-Verhalten von Mitarbeitern zeigt sich zunehmend auch im geschäftlichen Alltag. Die Schnelligkeit und Bequemlichkeit sowie die größere Auswahl sind Hauptargumente für einen Kauf über das Internet.
Und die Pioniere im Plattform-Geschäft entwickeln sich stetig weiter und fokussieren sich nun verstärkt auf den lukrativen B2B Bereich. Neben den etablierten Plattformgrößen wie Alibaba mit Alibaba.com (B2B-Handelsplattform), 1688.com (Chinas größte regionale B2B Handelsplattform) oder Amazon mit Amazon Business, versuchen zahlreiche weitere Plattformen am Markt Fuß zu fassen. Mercateo kann hier sicherlich als ein erfolgreiches Beispiel in Deutschland genannt werden.
Die Relevanz dieses neuen Vertriebswegs nimmt auch für produzierende Unternehmen im B2B Umfeld zu. Die Zeitersparnis im Vertrieb, die Digitalisierung von Prozessen sowie die Steigerung der Produktivität sind für einen Hersteller wichtige Gründe, seine Produkte und Leistungen online zu vertreiben. Und ob es ein Hersteller möchte oder nicht – seine Produkte werden auf Online-Marktplätzen angeboten. Wenn nicht von ihm selbst, dann besetzen vor allem Vertragspartner oder Händler diesen Kanal. Unsere Analyse zeigen, dass dies bereits in größerem Umfang geschieht, als von vielen Herstellern angenommen. In einer festgelegten Vertriebs-Kanalstrategie muss jedes Unternehmen für sich entscheiden, ob es den Platz anderen (Händlern) überlassen oder diesen aktiv mitgestalten will.
Neben Kernfragen wie der Spezifizierung des Portfolios, der Auswahl des Zielmarktes oder der Plattform, der Gestaltung der Prozesse für Informationsmanagement (PIM /MAM) und Logistik, zeigt sich eine völlig neue Herausforderung: die optimale Preisgestaltung auf Online-Marktplätzen.
Im vorherrschenden Business Modell stehen Industrieunternehmen aufgrund des direkten Kontakts eine Vielzahl von Kundeninformationen zur Verfügung: Um welchen Kundentyp handelt es sich(z.B. Erstausrüster, Endkunde, Zwischenhändler)? Wie groß ist der Kunde (z.B. A-, B-, C- oder D-Segmentierung)? Aus welcher Region kommt er? Aufgrund dieser Informationen ist ein kundenspezifisch differenziertes Pricing möglich (z.B. Bruttolistenpreis oder Konditionensystem). Auf Online-Marktplätzen hingegen ist ein klassisches Pricing, wie im Industriegüterbereich üblich, nicht möglich: Ohne sich einzuloggen sind Informationen für jeden sichtbar. Diese angebotsspezifischen Auskünfte beziehen sich auf Verkäufer, Produktinformationen, Preise oder Lieferzeiten. Es gibt keinen direkten Kontakt mit dem Kunden – es handelt sich um eine anonyme Interaktion auf dem Marktplatz. Die Voraussetzungen für die üblichen Differenzierungsmöglichkeiten im Industriegüterbereich fallen aufgrund der fehlenden Kundeninformation weg. Diese bekommt der Anbieter erst, nachdem der Kunde den Kauf getätigt hat.
Das Angebot muss sich somit an einen „anonymen Kunden“ richten. Anders als bei früheren „öffentlichen“ Preisinformationen (z.B. Listenpreis) muss der Preis auf Online-Marktplätzen einen vorher bestimmten Preis darstellen, mit dem ein relevantes Geschäftsvolumen generiert werden kann. Der veröffentliche Preis gilt für jeden Kunden – ein Nettopreis für alle.
Anonymer Kunde als Kernherausforderung bei der Preissetzung auf B2B Online-Marktplätzen
1. Definition einer preislichen Zielgruppe – Zielpreisfindung basierend auf historischen Bewegungsdaten sowie der Bestimmung eines typischen Zielkunden auf Online-Marktplätzen, z.B. dem kleinen Endkunden
2. Systematisches Abgreifen von Marktpreisen – mit Hilfe von WebCrawlern kann die Transparenz im Internet genutzt werden, um eine Orientierung am Marktpreis zu schaffen
Ein WebCrawler ist eine Computeranwendung, die automatisch das Internet nach vorgegebenen Begriffen oder Anfragen durchsucht und Webseiten analysiert. Das Programm wandert bei der Suche über Hyperlinks einer Website zu weiteren Websites, und speichert die Adressen aller besuchten Seiten. So können theoretisch alle öffentlich zugänglichen Internetseiten analysiert werden. Die gesammelten Daten können mittels Indexierung ausgewertet und gespeichert werden, um für spätere Auswertungen genutzt zu werden.
Prominenteste Nutzer von WebCrawlern sind Online-Suchmaschinen (z.B. Google). Die Suchmaschinen nutzen tagtäglich zahlreiche Crawler, um ihren Index aktuell zu halten, indem neue Seite hinzugefügt oder geänderte Websites aktualisiert werden.
Unter Web Scraping versteht man gemeinhin das automatisierte Auslesen von Information aus Websites. Je nach Einstellung fischt ein Web Scraping Tool automatisch gewünschte Informationen aus einer Website (Bilder, Texte, URL’s) und speichert diese in strukturierter Form in einer Tabelle oder einer separaten Datei.
Nicht jedes Tool kommt mit jeder Website zurecht, vor allem da einige Seiten das automatisierte Auslesen von Daten blockieren. Scraping Tools sind bereits vielfach als Freeware mit teils hoher Nutzerfreundlichkeit im Internet vorhanden – dennoch sind Programmierkenntnisse im Umgang mit diesen Tools hilfreich.
Für ein erfolgreiches Crawlen innerhalb des marktorientierten Pricings sind im Wesentlichen zwei Bedingungen notwendig:
1. Identifikation von relevanten Shops: Crawler benötigen spezifische Domains auf denen sie suchen soll
2. Aufbau des Online Shops zur Extraktion der relevanten Daten:
Beim Scraping von Webseiten muss dabei stets das jeweilige Urheberrecht eingehalten werden, insbesondere beim Extrahieren von Daten fremder Websites und dem Einbinden auf der eigenen Website. Einige Betreiber schließen das automatische Auslesen von Daten sogar explizit über die Nutzungsbedingungen aus, oder sperren den Zugang für solche Tools bereits über die Programmierung der Website.
Wurden die relevanten Daten per WebCrawler gezogen und hat man eine Verbindung zwischen den Informationen aus den Online-Marktplätzen und den eigenen, internen Daten (Stammdaten, Bewegungsdaten) hergestellt, kann man diese für verschiedene Analysen nutzen. Mit den gewonnenen Marktpreisinformationen lassen sich z.B. folgende Interpretationen in Bezug auf Pricing herstellen:
Eine unserer Analysen zeigt, dass das Preisniveau der Produkte, die online auf diversen Marktplätzen angeboten werden, signifikant höher ist als das Preisniveau mit dem die gleichen Produkte vom Hersteller an die Händler verkauft werden. Diese Auswertung liefert wertvolle Argumente für die nächsten Preisverhandlungen mit Händlern/ Vertragspartnern.
Nachdem man diese Art von Computerprogrammen einmalig programmiert hat, funktionieren sie nahezu selbstständig. Sie können die ihnen zugeschriebenen Aufgaben kontinuierlich wiederholen. Die Marktpreise relevanter Produkte lassen sich so regelmäßig durchsuchen, analysieren und gegebenenfalls nach bestimmten Kriterien sortieren und anpassen. Für ein ganzheitliches und dynamisches Pricing sollten im Rahmen einer marktorientierten Pricing Initiative weitere strategische Fragestellungen geklärt werden:
Die korrekte Nutzung von WebCrawlern bietet Industriegüterunternehmen einen guten Orientierungspunkt für online auffindbare Preisen ihrer eigenen Produkte. Durch dieses systematische Abgreifen von Daten, einer regelmäßigen Prüfung sowie Justierung können Unternehmen letztendlich ihr marktorientiertes Pricing optimieren.