Die Transparenz von Preisen im B2B-Bereich hat in den letzten Jahren stark zugenommen: Die massenhafte Online-Abfrage von Preisen hat sich längst etabliert. Kunden sind besser informiert als je zuvor und nutzen das neue Wissen zum eigenen Vorteil. Für international agierende Hersteller hat die zunehmende Transparenz eine gravierende Folge: Lokale Zahlungsbereitschaften können nicht mehr beliebig abgeschöpft werden. Kunden informieren sich über Ländergrenzen hinweg, identifizieren inkonsistente Preise schnell. Das Preisimage leidet und es drohen Graumärkte.
Aus der neuen Transparenz ergibt sich die Kernfrage für die zukünftige Pricing-Governance: Bei wem soll die Preishoheit liegen? Eine klare Linie für Headquarter und Ländergesellschaften ist Kern einer gewinnbringenden Preispolitik. Um diese Linie im eigenen Unternehmen zu etablieren, ist Klarheit über den gegenwärtigen Status der Pricing Governance zunächst essenziell. Hierzu bietet sich ein evolutionäres Modell an – in vielen Fällen durchläuft die internationale Preispolitik in Unternehmen vier aufeinanderfolgende Schritte. Diese können über Branchen und Geschäftsmodellen hinweg beobachtet werden.
Anstatt Preise am Marktniveau und der Zahlungsbereitschaft der Kunden anzupassen, wird beim passiven Pricing oftmals nur mit pauschalen Teuerungszuschlägen von 2-4% pro Jahr nach dem Gießkannenprinzip über das gesamte Produktportfolio gearbeitet. Bedingt wird diese Form der Preispolitik oft durch mangelnde Ressourcen, Kompetenzen und Systeme im Headquarter und den Tochtergesellschaften. Die statischen Zuschläge führen mittelfristig zu einer Entkopplung von Preisen vom tatsächlichen Marktniveau. Die Folge: Manche Produkte werden weit unter der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft verkauft, während andere aufgrund überhöhter Preise keine Abnehmer finden.
Passives Pricing kann auch eine andere Form annehmen: So gibt es in zahlreichen Unternehmen über viele Jahre gar keine Preisveränderungen – auch bei gestiegenen Kosten und damit erodierenden Margen. Diese Statik äußert sich auch in Rabattstrukturen: Diese sind häufig historisch bedingt und von Performance-Kriterien wie Umsatz oder Loyalität komplett entkoppelt. Das Resultat: Lukrative Preiskonditionen für Kunden, welche sich seit Jahren eigentlich nicht mehr dafür qualifizieren.
Sobald die Nachteile von passivem Pricing zu Tage treten, versuchen Unternehmen, ihr Pricing zu professionalisieren – zunächst meist dezentral in marktnahen Funktionen, häufig im lokalen Vertrieb der Tochtergesellschaften. Ein logischer Schritt: Es macht Sinn, bei der Transformation auf bestehenden Kompetenzen aufzubauen. So nachvollziehbar dieser Weg ist – wenn ihm zu lange gefolgt wird, entstehen gefährliche Inkonsistenzen.
Tochtergesellschaften weisen häufig starke Unterschiede in Pricing-Kompetenzen und -Ressourcen auf – mit der Folge, dass ohne zentrale Unterstützung notwendige Maßnahmen nicht durchgeführt werden können. Für das Headquarter ist das Pricing der Tochtergesellschaft oftmals eine Black-Box. Dies ist häufig auch dadurch bedingt, dass spezifische lokale ERP-Systeme in den Tochtergesellschaften zum Einsatz kommen.
Die Folge: Das Pricing aus dem Headquarter ist mit dem lokalen Pricing nicht abgestimmt und es kommt zur Neutralisierung oder zu Doppelungen von Aufschlägen. Wird den Tochtergesellschaften kein Rahmen für die Preisbildung vorgegeben, ergeben sich zwischen verschiedenen Ländern in der Regel deutliche Preisinkonsistenzen. Hierdurch besteht das Risiko einer Graumarktbildung. Auch internationale Key Accounts sind häufig nicht bereit, signifikante Preisinkonsistenzen zu akzeptieren oder nutzen diese gerade gezielt aus.
Um Diskrepanzen zwischen Tochtergesellschaften zu minimieren, entscheiden sich viele Unternehmen für ein zentrales Preismanagement. Dieses definiert im Headquarter die Preisstrategie und -methodik über den gesamten Preiswasserfall bis hin zum Nettopreis. Auch das Preismonitoring und -controlling und die Sicherstellung der erfolgreichen Preisdurchsetzung fallen in den Aufgabenbereich des zentralen Preismanagements. Durch die Trennung von Preisbildung und dem oft umsatzorientierten Vertrieb lässt sich meist eine deutlich höhere Preisqualität erzielen. Die zentrale Bündelung von Aufgaben entlastet Tochtergesellschaften, gleichzeitig können länderübergreifende Synergiepotenziale besser erkannt und genutzt werden.
Auch das zentrale Pricing hat jedoch eine Kehrseite: das Risiko, zu strikte Regeln zu diktieren. In dieser Extremform zieht das zentrale Preismanagement sämtliche Preiskompetenzen an sich und gibt den Tochtergesellschaften sämtliche Maßnahmen vor. Das kann sich rächen: Das meist limitierte Wissen über lokale Märkte im zentralen Preismanagement kann dazu führen, dass länderspezifische Potenziale ungenutzt bleiben. Die Tochtergesellschaften sind sich diesen Potenzialen jedoch bewusst – und fühlen sich übergangen, da sie zwar Geschäftsverantwortung tragen, mit dem Pricing aber das mächtigste Marketinginstrument weitgehend aus der Hand geben müssen.
Für die meisten Unternehmen bewährt sich letztlich koordiniertes Pricing, welches die Vorteile aus zentralem und dezentralem Pricing kombiniert – die goldene Mitte der Pricing Governance. Koordiniertes Pricing geht oftmals mit einer starken Rolle des Preismanagements im Headquarter einher. Dieses legt die Preisstrategie fest, gibt die Preislogik vor und stellt eine weltweit konsistente Preisarchitektur sicher. Dies bedeutet jedoch nicht Alleinherrschaft: Innerhalb definierter Freiräume nehmen Tochtergesellschaften markt- und kundenspezifische Anpassungen an der Preispolitik vor und geben kontinuierlich Input an die Zentrale, zum Beispiel in Form von Markt- und Wettbewerbspreisen. Dort wird der Input in ein stimmiges Gesamtbild eingefügt und die Preislogik kontinuierlich erweitert.
Hierbei sollte nicht jedes Land für sich optimiert werden, sondern auf Interdependenzen hinsichtlich Graumärkten, Reimporten und Preisdifferenzen für globale Key Accounts geachtet werden. Diese Aufgabe kann ein zentrales Preismanagement optimal übernehmen. Im koordinierten Pricing ist die Rolle des Headquarters primär moderierend und stellt ein Bindeglied zwischen den wichtigen funktionalen Einheiten im Pricing dar – zwischen Top Management (Vorgabe strategischer Leitplanken), Controlling (Transparenz zur Geschäftsentwicklung), Produktmanagement (Produktstammdatenpflege) und Vertrieb (Marktinformationen). Vor allem die enge Zusammenarbeit mit dem Einkauf birgt große Potenziale – so sind Marktpreisdaten für den Einkauf von hohem Interesse und ermöglichen es, in Verhandlungen mit Zulieferern Kosten deutlich zu reduzieren.
Während für die meisten B2B-Unternehmen das koordinierte Pricing die optimale Organisationsform darstellt, haben in gewissen Fällen auch Elemente des dezentralen oder zentralen Pricings ihre Berechtigung. Unabhängig von der spezifischen Ausprägungsform sind mehrere zentrale Erfolgsfaktoren von Bedeutung:
Pricing Governance ist ein wichtiger Baustein für die Preisorganisation – doch nicht der einzige. Das Thema ist vielschichtig und besitzt zahlreiche Facetten, die berücksichtigt werden sollten. Wenn Sie Fragen zum Thema Pricing Governance oder einem anderen Baustein der Preisorganisation haben, können Sie über das Kontaktformular in wenigen Sekunden eine Anfrage hinterlassen. Unser Autor Daniel Lindner meldet sich daraufhin persönlich bei Ihnen. Alternativ können Sie auch gerne direkt eine E-Mail senden oder anrufen!